Rund eine Million Euro Förderung

Projekt zur Entwicklung einer neuartigen Gentherapie bei hochaggressiven Hirntumoren

Frisch isolierte Glioblastomzellen eines Patienten in der Zellkultur (400-fache Vergrößerung). © Prof. Temme, Uniklinikum Dresden

Ein Konsortium der Onkologischen Spitzenzentren (Comprehensive Cancer Center) Universitäts KrebsCentrum Dresden (UCC), Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen (UCT) Frankfurt-Marburg und Mitteldeutsches Krebszentrum (CCCG Leipzig/Jena) entwickelt eine neuartige Gentherapie zur Behandlung eines besonders bösartigen hirneigenen Tumors (Glioblastom). Ziel ist es, ein tumorunterdrückendes Gen (p53) in die Krebszellen einzuschleusen und gleichzeitig Mechanismen zu unterbinden, welche die Genfunktion blockieren können. Hierfür entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem ein neues Nanopartikel-Transportsystem. Das Projekt NANO-REPLACE („Genetische p53mut – Wildtyp-Substitution: Entwicklung einer dualen Nanopartikel-basierten Oligonukleotid-Therapie des Glioblastoms“) wird von der Deutschen Krebshilfe mit 955.015 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert.

Das Glioblastom ist der häufigste und bösartigste hirneigene Tumor bei Erwachsenen. Betroffene haben auch mit modernster Therapie – in der Regel eine neurochirurgische Entfernung des Tumors, gefolgt von Chemotherapie und Strahlentherapie – nur eine mittlere Überlebenszeit von weniger als zwei Jahren. Weitere Verbesserungen in der Behandlung werden dringend benötigt.

Charakteristisch für Glioblastome ist ein Verlust der Funktion des tumorunterdrückenden Proteins p53, häufig verbunden mit Mutationen im p53-Gen, das den Bauplan für das Protein enthält. p53 kann so die unkontrollierte Teilung geschädigter Zellen nicht mehr unterdrücken. Die gentherapeutische Einschleusung des nicht-mutierten p53-Gens (Wildtyp) gilt als vielversprechende Therapieoption. Allerdings ist seit längerem bekannt, dass die in den Krebszellen vorhandene mutierte Genvariante das intakte Gen über verschiedene Mechanismen blockieren kann. „Wir verfolgen daher in einem neuartigen gentherapeutischen Ansatz das Ziel, gleichzeitig das Wildtyp-Gen einzuschleusen und das mutierte Gen und weitere molekulare Ziele zu blockieren. Dies soll letztendlich zum Absterben der Glioblastomzellen führen und das Fortschreiten der Tumorerkrankung hemmen“, sagt Prof. Achim Temme, Leiter der Neurochirurgischen Forschung der Hochschulmedizin Dresden. „Die therapeutischen Möglichkeiten für Glioblastom-Patientinnen und -Patienten zu verbessern, ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir freuen uns, dass drei der von uns geförderten Comprehensive Cancer Center ihre Kompetenzen zur Entwicklung einer vielversprechenden Gentherapie bündeln“, sagt Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. „Dieses wichtige Forschungsprojekt unterstützen wir im Rahmen eines gezielten Programmes, das das Ziel hat, Innovationen für die Krebsmedizin zu entwickeln und die klinische und translationale Krebsforschung voranzubringen. Neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sollen durch unsere Förderinitiative so schnell wie möglich den Patienten zugutekommen.“

Zur Blockade des in den Tumorzellen vorhandenen mutierten Gens nutzen die Forschenden einen speziellen Mechanismus zur Gen-Stilllegung, die so genannte RNA-Interferenz (RNAi). Hierbei wird durch eine Bindung von kurzen Ribonukleinsäure (RNA)-Stücken, sogenannte siRNAs, an die Erbgut-übertragende messenger-RNA (mRNA) deren Ablesung in ein Protein verhindert. Für die simultane Einschleusung eines für die Herstellung des funktionsfähigen Proteins optimierten (Codon-optimierten) Wildtyp-p53-Gens und der für die RNA-Interferenz nötigen RNA-Oligonukleotide (siRNAs) entwickeln die Forschenden ein neues, nicht-virales Nanopartikel-Transportsystem. „Oftmals werden Viren als Genfähren eingesetzt, die jedoch neue Mutationen und andere Nebenwirkungen auslösen können und technische Limitationen haben. Wir setzen hingegen auf nicht-virale, biologisch gut verträgliche Trägermoleküle. Diese bilden Nanopartikel, mit denen sich Gen und RNA gleichzeitig in die Tumorzelle einschleusen lassen und die darüber hinaus Gewebe durchdringen können“, betont Prof. Achim Aigner, Leiter der Selbständigen Abteilung für Klinische Pharmakologie im Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Leipzig. „Künftig könnte bei der Operation des Glioblastoms ein Zugang gelegt werden, durch den dann die Gentherapie direkt am Ort des Tumorwachstums appliziert wird“, erklärt Prof. Achim Temme.

Ein wichtiger Fokus des Forschungsprojekts „NANO-REPLACE“ liegt darin, die Effekte der neuartigen Gentherapie umfassend im Labor zu analysieren. Die Forschenden des UCT Frankfurt-Marburg bringen hierfür insbesondere ihre Expertise in der Etablierung der für das Projekt benötigten in vivo- Modelle ein, die von den Konsortialpartnern für die experimentelle Therapie genutzt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten hierzu mit Kulturen und Mini-Tumoren aus patienteneigenen Tumorzellen ebenso wie mit tumortragenden Mäusen. „Die Anwendung dieser Trägermoleküle testen wir in Kombination mit einer Blockade weiterer Zielproteine des Glioblastoms, welche die Selbstverdauung zellulärer Bestandteile, die sogenannte Autophagie, regeln. Diese Blockade soll verhindern, dass Tumorzellen dem p53-induzierten Zelltod auf anderem Wege entkommen", erklärt Prof. Donat Kögel, Gruppenleiter Experimentelle Neurochirurgie in der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikum Frankfurt.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Donat Kögel
Gruppenleiter Experimentelle Neurochirurgie
Klinik für Neurochirurgie
E-Mail: koegel@em.uni-frankfurt.de

Lesen Sie hier die Pressemitteilung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC).